DON GIOVANNI

Was geschieht:

 

Angeblich die erfolgreichen Frauengeschichten eines Wüstlings, der am Ende vom verstorbenen Vater einer seiner Liebhaberinnen ins Jenseits  eingeladen wird, woran er stirbt, was logisch ist. „also starb, wer böses tat“.

Bei genauem Hinsehen nehmen wir etwas anderes wahr:

Die ganze Geschichte handelt nur von seinen Misserfolgen bei Frauen. Seine erotische Karriere wird nur von seinem Diener besungen, und noch dazu auf Geheiß des Herrn.

Eine tragische Geschichte, die nur voll ist von Misserfolgen. Schließlich rotten sich einige Geschädigte zusammen, um ihn umzubringen, Frauen und Männer. Das Todesurteil wird ihnen abgenommen: als Don Giovanni die Totenruhe stört, indem er auf dem Friedhof ungebührlichen Lärm macht, wird er von der Statue des von ihm ermordeten Vaters einer Ehemaligen gemahnt. Das endet in Einladung, die Statue erscheint wirklich, Don Giovanni bleibt trotz Aufforderung „bereue!“ uneinsichtig, die Statue reicht ihm die Hand – sein Tod.

Eine einseitige Handlung, eine moralinsaure Bestandsaufnahme – ein hinreißendes Stück Musik. Diese Oper zeigt einen Mozart, wie er sonst in seinen Opern nicht vorkommt: düster, fast langweilig mit den Wiederholungen von Trauer, Rache und Selbstmitleid. Der Held : eine Figur ohne Männlichkeit, nur der Erotik verfangen, ohne jegliche Moral, Frauen benutzend und fürchtend, Männer provozierend.

Und wenn man das einmal versucht, homöopathisch zu betrachten – was finden wir? Welches Prinzip wird hier dargestellt?

Eine klare moralische Ordnung, die vom Helden einfach missachtet wird. Eine Sex-Besssenheit, die den Helden zum hirnlosen Wüstling macht, der seine Erfolge nur „dort“ zu finden glaubt. Die „Register-Arie“ umschreibt seine Erfolge in dreistelligen Zahlen der Frauen. Ein Mensch, der gänzlich bindungsunfähig ist. Er wird besiegt von dieser Ordnung, die er ignorierte: der Vater, die Respektsperson eben greift noch aus dem Jenseits nach ihm. Am Schluß ist alles wieder „in Ordnung“: Donna Elvira geht in ein Kloster, Don Oktavio ist froh und erleichert, daß er jetzt nicht mehr den Mörder seines Schwiegervaters zu töten hat, sondern daß „der Himmel“ ihm das abnahm.

Unsere Gestalt besteht also aus „Mangel an moralischem Empfinden“, aus „unstillbarem Geschlechtstrieb“, aus „Treulosigkeit“, aus Verlogenheit, aus Egoismus, ja „Eigenkult“.Empfindungen anderer Menschen „zieht er ins Lächerliche“.

So betrachtet, ergibt sich Lycopodium als dargestelltes und nicht erlöstes Prinzip. Nimmt man noch „diktatorisch“ hinzu, sieht man, daß auch die andern Gestalten dieses Mittel verkörpern: der Vater natürlich, der seiner bedrohten Tochter zu Hilfe eilt (obwohl die doch einen Verlobten hat, der dafür in Frage käme). Die geschmähte Donna Anna, die ihrem Verlobten das Programm setzt, erst einmal den Don Giovanni zu töten, bevor sie bereit sei, zu was auch immer. Der Diener Leporello, der in Abwesenheit seines Herrn den Mund sehr voll nimmt in seiner Kritik, sich aber durch Geldgaben sehr schnell anpasst.

Wenn man bedenkt, daß die Zeitgenossen und auch die Geschichte Mozarts durchsetzt ist von der Vermutung, Mozart habe mit dem Don Giovanni seine Vater-Problematik verarbeitet, schließt sich der Kreis der Gedanken. Mozarts Vater war gestorben, ohne sich mit seinem Sohn versöhnt zu haben.

Und Lycopodium gilt gemeinhin als „das“ Vatermittel...jedenfalls als DAS Prinzip, wenn es darum geht, Authorität zu akzeptieren oder selbst angemessen auszuleben. Die Betonung liegt auf „angemessen“.

Im lycopodischen Bild geht es m.M. nach um den richtigen Umgang mit Macht. Der scharfe Geist weiß sehr wohl um die menschliche Kleinheit, kann sie deshalb so schwer zugeben und braucht deswegen schützende Machtstrukturen. Ich glaube, daß die heutigen Gegner der Homöopathie sehr lycopodisch sind: geht es doch darum, ein Macht zu akzeptieren, die sich dem mormalen Meß-Verfahren und damit der Kontrolle, der Beherrschung entzieht. Das könnte eine Erklärung sein für oft so emotionsgeladenen Debatten.

Voegli sagte einmal: „Abneigung gegen Homöopathie: Lycopodium Hauptmittel.“

Nachgedanken...

Kann man das so einfach sehen? Bei weiterem Nachdenken – denn irgendwas schien mir nicht ganz „ins Bild“ zu passen- fand ich, daß eine Handlungsweise des Don Giovanni  n i c h t  ins Lycopodische Bild passt: als die Friedhofs-Statue ihn auffordert, ihm die Hand zu geben, als Zusage für die Einladung..da ergreift er sie mit den Worten“..ich bin noch nie einer Gefahr ausgewichen!“. Und diese Geste besiegelt seinen Untergang.

Lycopodium wird eine gewisse Feigheit nachgesagt.

Aber hier wird „erst recht“ gehandelt – und das ist eine typische Verhaltensweise von Acidum Fluoricum...

Was ist das für ein Prinzip? Was für eine Pathologie ist das?

Ac.Fluor. ist ein hitziges, destruktives Mittel. Flusssäure ist äußerst ätzend, greift Glas und Knochen an. Miasmatisch lässt es sich dem syphilitischen zuordnen. Es ist ein Mittel für Menschen bzw. deren Störungen, die „nichts auslassen“. Außerdem ist es ein Mittel für Psychosen. Psychisch Kranke mit multipler Persönlichkeit können davon profitieren. Oder profaner ausgesprochen: es gilt besonders wirksam bei „Besetzungen“. ....Keine Sorge, wir sind hier nicht im Mittelalter!

Multiple Persönlichkeit oder Besetzung bedeutet, daß ein Mensch in seinem Kopf sozusagen „nicht allein“ ist. Er handelt wie unter einer Fremdsteuerung. Als Gemütsymptom sei noch zu erwähnen, daß ein besonderer Hang zu Toten besteht und zum Sterben. Man könnte einmal darüber meditieren, inwieweit es passen könnte für Menschen , die sich beruflich viel mit Sterben und Tod befassen – also von Hospitz bis zum Bestatter und Friedhofsgärtner.

Was sind das für Gedanken!

Und was ist mit Don Giovanni?

Er verbraucht sich in der Glut seiner immer unzufriedenen Geschlechtslust. Er nimmt das Jenseits nicht ernst – sonst würde er nicht die Totenruhe stören. Er behandelt die Einladung der steinernen Statue eher wie etwas, was mal was Neues sein könnte. Er hat keinerlei Gefühl für Grausiges oder unheimliches...

Und so geht er schließlich zugrunde...ganz schön destruktiv.

Bedenkt man dazu die Ansichten von Mozarts Zeitgenossen, denen zufolge Mozart in dieser Oper sein Vaterproblem verarbeitet habe, dann ergibt sich eine gewisse Logik:

Sein Vater hatte ihn geformt, gefördert, für ihn gesorgt, ihn mit Beschlag belegt – und sich unversöhnlich zurückgezogen, als Mozart seinen eigenen Stil fand, sich vom Vater auch nicht mehr in Zukunft und Wahl seiner Ehefrau hineinreden ließ...dieser Vater starb ohne Versöhnung mit seinem Sohn.

Der junge Mozart: „besetzt“ von seinem Vater?

Das sind so Gedanken. Und dann in der Oper aufzuzeigen, daß noch der tote Vater aus dem Jenseits heraus erscheint, um den jungen Mann – hier Don Giovanni – zu strafen, ja zu vernichten.